Wie Freiraum Personal fördert

Geschrieben von:

Antonia Finzel

Antonia Finzel hat Wirtschaftswissenschaften und Psychologie studiert. Sie ist seit Anfang 2021 Teil der Finatix und arbeitet erfolgreich daran, unser Team zu vergrößern. Sie ist Ansprechpartnerin bei allen personellen sowie zwischenmenschlichen Themen.

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Freiheit fördert, schafft Loyalität und kann zudem noch die Gesundheit begünstigen. Eine gewagte These, oder? Wir finden nicht. Denn sie zeigt, warum wir MitarbeiterInnen Kontroll- und Entscheidungsspielräume im Arbeitsalltag geben sollten. Wir möchten in diesem Artikel folgende Fragen beantworten und auf diese Weise erklären, warum wir diese Meinung vertreten:

  • Wie hängen Stress und psychische Belastung zusammen?
  • Welche negativen, aber auch positive Folgen kann Stress für MitarbeiterInnen haben?
  • Warum ist Agilität in diesem Kontext eine gute Idee?
  • Wie setzen WIR das um?

Wie hängen Stress und psychische Belastung zusammen? - Das Job-Demand-Modell

Der Soziologe Robert Karasek hat 1979 ein Modell aufgestellt, welches den Zusammenhang zwischen Arbeitsanforderung und Handlungsspielraum bzw. Entscheidungsfreiheit beschreibt und auch heute noch sehr gut im Arbeitsumfeld anwendbar ist. Nach Karasek setzt sich Stress bzw. Beanspruchung, aus den erlebten Anforderungen und den damit einhergehenden Kontroll- und Handlungsmöglichkeiten zusammen. Das Wort „Stress“ ist dabei zunächst neutral zu betrachten. In dem sogenannten Job-Demand-Modell hat er vereinfacht dargestellt, wie sich das Zusammenspiel von Anforderungen und Entscheidungsfreiheit auf die Arbeit und auf die wahrgenommene Beanspruchung auswirken.

Nach Karasek gibt es 4 grundlegende Arbeitstypen:

Stress = Anforderungen + Freiraum

a. Passive Tätigkeit = wenig Anforderungen, aber auch wenig Einfluss

b. wenig beanspruchende Tätigkeit = viel Kontrolle, aber geringe Anforderungen

c. stark beanspruchende Tätigkeit = hohe Anforderungen, aber wenig Kontrolle

d. aktive Tätigkeit = motivierend und lernfördernd

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Passive und wenig beanspruchende Tätigkeiten haben zunächst wenig negativen Einfluss auf MitarbeiterInnen. Sie motivieren oder fordern diese auch wenig. Vor allem durch monotone Jobs ohne hohen Einfluss ist es kaum möglich, sich mit der eigenen Arbeit zu identifizieren. Man arbeitet, um zu arbeiten. Wie sieht es allerdings mit komplexeren Aufgaben aus?

Welche negativen, aber auch positive Folgen kann Stress für MitarbeiterInnen haben?

 

Jobs in der Softwareentwicklung gehen häufig mit einer hohen Komplexität einher. Die stetigen Veränderungen in der IT, sich ändernde Kundenwünsche und die permanente Suche neuer Lösungen erzeugen eine anspruchsvolle Arbeitsumgebung. Diese Tätigkeiten haben also von Haus aus oft hohe Anforderungen. Durch hohe Arbeitsintensität wird zunächst Energie, oder eben auch Stress ausgeschüttet. Dieser Stress hat zunächst positive Auswirkungen: Er kann aktivieren und motivieren. Die MitarbeiterInnen wachsen an der fordernden Aufgabe. Wenn dieser Stress allerdings lange aufrechterhalten und zu dem ein hoher Kontrollverlust wahrgenommen wird, kann das negative Folgen für den MitarbeiterInnen herbeiführen. So sind psychosomatische Erkrankungen wie Kopfschmerzen oder Verdauungsbeschwerden häufige Folgen. Auch psychische Krankheiten, wie Depression oder Burn Out, können eine Konsequenz sein. (Weitere Informationen hier). Es hat natürlich auch negative Folgen für das Unternehmen, wenn MitarbeiterInnen keinen Spaß an der Arbeit haben, sich gestresst fühlen oder eben krank werden. Steigende Fehlzeiten und eine hohe Fluktuation in der Belegschaft sind häufig die Folge.

Robert Karasek hat damals die Theorie aufgestellt, dass hoher Kontroll- und Entscheidungsspielraum diesen negativen Folgen entgegenwirken kann. Doch wie kann man diese Folgen als Unternehmen vermeiden? Indem man den MitarbeiterInnen Handlungsfreiräume in ihrer Arbeit bietet! Denn durch Handlungsfreiräume ist es den MitarbeiterInnen möglich, selbstständig auf Veränderungen reagieren zu können. Die entstandene Energie durch hohe Arbeitsanforderungen lässt sich mit einem hohen Freiraum in tatsächliches Handeln umwandeln. Der Stress kann demnach als Ressource genutzt werden.

Wenn MitarbeiterInnen die Möglichkeit haben, sich bewusst für einen Weg zu entscheiden, dann stehen sie viel eher hinter ihrer Arbeit. Natürlich bin ich viel zufriedener mit dem, was ich tue, wenn ich mich selbst bewusst dafür entschiedenen habe und es mir nicht durch jemanden anderen vorgegeben wurde. Durch eine hohe Identifikation mit der eigenen Arbeit entsteht ebenfalls neue Energie und Motivation.

Zudem kann man Weiterentwicklung und Lernen überhaupt erst bewirken, wenn man Raum zum Wachsen geben kann.

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Heutiger Stand: Warum ist Agilität in diesem Kontext eine gute Idee?

Diese Theorie wurde nun mittlerweile vor rund 40 Jahren aufgestellt. Dass Karaseks Theorie immer noch auf den heutigen Arbeitskontext anwendbar ist, sollte im letzten Abschnitt verständlich geworden sein. Aber sind die Lösungsansätze aus dieser Theorie im heutigen Arbeitsumfeld wirklich noch umsetzbar? Wir denken: ja! Mehr als je zuvor.  
In der heutigen Zeit sind Schlagworte wie ‚New Work‘, ‚Agilität‘ und ‚Scrum‘ fast zur Gewohnheit geworden. Aber nicht alle Führungskräfte verstehen auch den Kern hinter diesen neuartigen Modellen. Doch das ist wichtig, denn genau diese Arbeitsmodelle erlauben es, die Lösungsansätze aus Karaseks Theorie umzusetzen. 

Methoden, wie Planning Poker, liegen die Idee des Konsenses zugrunde – eine Form der Selbstorganisation. Das Team soll sich hier so abstimmen, dass am Ende jeder mit der Entscheidung zufrieden ist und eben keinen Kompromiss eingeht. Konsens und Kompromiss sind nämlich nicht dasselbe. Ziel ist es nicht, den Mittelweg zu nehmen, sondern eine Entscheidung, für die sich im besten Fall jeder bewusst entscheidet. Damit wird erreicht, dass jeder am Ende tatsächlich hinter der Entscheidung steht und sich damit identifizieren kann. Das Gefühl von Kontrolle wird für jedes Teammitglied aufrechterhalten 

Durch eine Organisation mit SCRUM werden nicht nur Handlungsfreiräume durch Selbstorganisation geschaffen, sondern es wird außerdem ermöglicht, dass MitarbeiterInnen die Freiheit besitzen, sich mit vielen verschiedenen Themen auseinander zu setzen.

Frontend, Backend, Qualitätssicherung und DevOps sind eben nicht mehr getrennte Teams, sondern arbeiten gemeinsam am Projekt. Dadurch können sie sich dauerhaft austauschen und voneinander lernen.  

Es gibt viele weitere Frameworks, Methoden und Ideen, wie man MitarbeiterInnen Freiräume und Entscheidungsmöglichkeiten geben kann. Aber was genau bedeutet das und welche Rückschlüsse lassen sich dadurch auf die Unternehmenskultur schließen?

Wie setzen WIR das um?

Wie im obigen Modell erläutert, kann eine Arbeitsumgebung anspruchsvollen Aufgaben und Handlungsfreiräumen die Motivation steigern und MitarbeiterInnen einen Raum zum Lernen und ständigen Weiterentwickeln ermöglichen, wenn man die benötigten Rahmenbedingungen schafft. Die eigene Unternehmenskultur muss also so ausgerichtet sein, dass Handlungsfreiräume möglich sind. So sind agile Werte zum Beispiel die Basis unserer eigenen Unternehmenskultur (https://finatix.de/team/).

Flache Hierarchien ermöglichen es jedem Mitarbeiter, eigene Entscheidungen treffen zu können. Dabei ist es besonders wichtig, eine offene Fehlerkultur zu leben. Es ist nur möglich, Entlastung durch Freiräume zu erfahren, wenn es auch okay ist sich auszuprobieren und Fehler machen zu können. Nur wer sich bewusst entscheiden darf, ohne dafür im Nachhinein verurteilt oder bestraft zu werden, entscheidet auch gerne selbst.

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Eine weitere Möglichkeit, Freiräume zu bieten, ist der Einsatz von flexiblen Arbeitszeiten. Wir haben uns für eine Kernarbeitszeit zwischen 10 und 15 Uhr entschieden. Alles Weitere ist dem Team selbst überlassen. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass es Teams gibt, die lieber so früh wie möglich beginnen und damit auch früh nach Hause können. Andere MitarbeiterInnen wiederum schlafen gerne aus oder arbeiten sogar nachts. Solang die Bedürfnisse der anderen Teammitglieder dabei erfüllt und die Arbeit gut erledigt ist, spricht nichts dagegen und bietet den MitarbeiterInnen die Möglichkeit sich selbst so zu organisieren, dass sie mit ihrer Arbeit zufrieden sind und sich wohlfühlen.

Ein letztes Beispiel eines Grundsatzes, den wir als Firma leben, und damit Karaseks Theorie umsetzen, ist das Prinzip „Dev knows best“ oder auch "Employee knows best“. Dieses Prinzip beschreibt, dass die Person, die den Job ausübt, auch darüber entscheiden kann, was die beste Methode ist. So werden Prozesse oder Einsatzmittel nicht durch die Geschäftsführung vorgegeben, sondern durch die MitarbeiterInnen selbst gewählt. Wie zuvor bereits beschrieben, kann auch dieser Grundsatz die Arbeitsmotivation erheblich steigern.

Fazit

Karaseks Theorie zeigt es: Gelebte Freiheit im Unternehmen, Handlungsspielräume im Arbeitsumfeld, wirken sich nicht nur positiv auf die MitarbeiterInnen aus, sondern fördern das gesamte Unternehmen. Und es ist nicht schwer umsetzbar. Agilität und Scrum sind die Schlüsselwörter. Wir setzen es schon um. Wann wendest du es an?